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Protokoll von der Informationsveranstaltung
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Mediationsverfahren Flughafen Wien

veranstaltet vom Siedlerverein Eßling
Ort: Gasthof Müllner, 1220, Eßlinger Hauptstraße 82
Zeit: Mittwoch, 21. 2. 2001, 18.30 Uhr

Leitung: 
Manfred Chyba, Obmann des Siedlervereins Eßling und des Bezirksobmann der Siedlervereine Donaustadt, ständiger Vertreter des 22. Bezirkes im Mediationsforum

Referenten: die Mediatoren, Herr Mag. Fürst und Frau Dr. König

Anwesend: 
Ca. 100 Personen, hauptsächlich aus dem Raum Eßling sowie auch Aspern, darunter auch mehrere Politker: Stadtrat Prinz, die Bezirksräte Schön und Müller, Bevilaqua , Dr. Lang und aus Groß-Enzersdorf Gemeinderat Vanek. Weiters waren auch zahlreiche Funktionäre von anderen Siedlervereinen aus allen Bezirksteilen anwesend.

Begrüßung:
M. Chyba begrüßt die zahlreichen Teilnehmer, insbesondere auch die Vertreter anderer Siedlervereine, die anwesenden Politiker sowie die beiden Mediatoren Mag. Fürst und Dr. König. Das große Interesse zeigt, wie sehr die Menschen vom Problem Fluglärm betroffen sind, erklärt Chyba.

Zunächst folgten einige Statements zu der historischen Entwicklung und der aktuellen Situation:

Statement von Dr. Silvestri zur Geschichte des Flughafenausbaues und der Aktivitäten dagegen vor rund 20 Jahren:
Die Bevölkerung wurde belogen und betrogen. In den 70er Jahren wurden von der damaligen Bürgerinitiative 40 000 Unterschriften gegen den Bau der zweiten Piste ("16/34") des Flughafens gesammelt. Politiker aller damals maßgeblichen Parteien haben das Anliegen der Bürger unterstützt.

Zugesagt wurde, dass nur maximal 17 % der Anflüge zum Flughafen über unser Gebiet stattfinden, jetzt sind es weit über 30 %. Weiters wurde zugesagt, dass keine Starts gegen unsere Richtung durchgeführt werden, auch das wurde nicht eingehalten. Die Leitung des Flughafens und der Austro Control wissen diese Tatsachen ganz genau und handeln gegen die Vereinbarungen.

1975 beschlossen alle politischen Parteien ein Nachflugverbot. Für die Schweizer Gutachter, nach deren Vorschlägen die zweite Piste schließlich gebaut wurde, war aber die Möglichkeit eines Nachtflugverbotes ausgeklammert.

Was wird angesichts unseres gegenwärtigen Lärmproblems getan? Die Zusagen wurden nicht eingehalten und jetzt steht uns bereits ein neues Projekt ins Haus. Wozu macht man überhaupt solche Verfahren mit Beteiligung der Bürger, wenn man sich dann an keine Beschlüssen hält?

Statement von DI Walter:
Der Fluglärm ist oft unerträglich, z. T. beginnen schon ab 5.00 früh Maschinen über uns zu dröhnen. Oft kann man sich im Garten nicht einmal mehr mit seinem Nachbarn unterhalten. Seitens Austro Control und Flughafen wird gesagt, es gebe relativ wenig Beschwerden aus Donaustadt. Es ist daher wichtig, immer wieder anzurufen beim Beschwerde-Telefon. 
Die Nummer, gebührenfrei: 0800 220 300.

Statement von Herrn Rahtmanner, Obmann des Siedlervereins Lobau am Biberhaufenweg:
In der Beantwortung einer diesbezüglichen Anfrage hat Umweltstadtrat Svihalek noch vor kurzer Zeit beteuert, der Bau einer dritten Piste stehe nicht zur Debatte, jetzt gibt es aber konkrete Pläne dafür. Die Bewohner in der Gegend Biberhaufenweg wehren sich entschieden gegen eine zusätzliche Piste.

Die gesundheitlichen Folgen ständigen Lärms, auch des Fluglärms sind heute längst bekannt, sie treffen auch jene Personen, z. B. Kinder, die in der Nach nicht aufwachen, wenn es über ihnen dröhnt. Kopfschmerzen, Ohrensausen, Nervösität und Schlafstörungen sind nur ein paar Beispiele dafür. Ich möchte ruhig schlafen.

Die Bedrohung durch den Fluglärm ist keinesfalls eine parteipolitische Sache. Wir müssen uns alle, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, zusammensetzen und zusammenhalten. Es sind bereits 12 Bürgerinitiativen gegen den Fluglärm engagiert.

Statement von Frau Wist, Breitenlee:
Wie ich mich seinerzeit in der Donaustadt angesiedelt habe, war der Fluglärm kein Problem. Jetzt beginnen oft schon ab 5.00 Uhr die Flugzeuge. Gleichzeitig betreibt man weiterhin in großem Stil Siedlungstätigkeit in Breitenlee und Umgebung, mit Wohnen im Grünen und anderen großen Wohnprojekten. Die Zuziehenden werden nicht speziell auf die  Fluglärm-Problematik aufmerksam gemacht.

Danach folgte der Hauptteil des Abends, die Vorstellung der Mediatoren und des Verfahrens:

Mag. Fürst, Mediator:
Danke für die Einladung durch den Siedlerverein und das Kommen der zahlreichen Teilnehmer! Der Bericht über die geschichtliche Entwicklung zeigt, dass in der Vergangenheit der Informationsaustausch offensichtlich nicht sehr gut gelungen ist.

Das Mediationsverfahren wurde im Oktober 2000 begonnen. Das Beratungsforum besteht aus 58 Personen, die Vertreter folgender Institutionen sind: die Länder Wien und Land Niederösterreich, Umweltanwaltschaft Wien und NÖ, neun Bürgerinitiativen, zwei Siedlervereine, neun Bürgermeister, sechs Wiener Bezirksvertretungen, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, Landwirtschaftskammer, Nationalpark Donauauen, die politischen Parteien und der Flughafen. Die näheren Beratungen finden in einem Arbeitsausschuss statt, der   aus 25 Mitgleidern des Beratungsforums besteht.

Die Mediatioren sind ein international zusammengesetztes Team, zu dem außer den anwesenden Mag. Gerhart C. Fürst (Österr.) und Dr. Ursula König (Schweiz) auch Univ. Prof. Dr. Horst Zillessen (BRD) gehört. Sie sind neutral gegenüber allen Beteiligten: Flughafen, Anwohner, Bürgermeister usw.   Die Mediatoren können keinesfalls sagen, ob die dritte Piste gebaut wird oder nicht. Sie sind dafür engagiert, die Meinungen aller Konfliktparteien anzuhören und zu sammeln und das Gespräch in Gang zu halten. Die Bürger sind hier gleichberechtigte Partner.

Ein Beispiel:
Im Gasteinertal sah die Österr. Bundesbahn die Notwendigkeit, eine Hochleistungsbahn durch dieses hochsensible Fremdenverkehrsgebiet zu bauen. Nach eineinhalb Jahren Mediation   konnte man eine Streckenführung ausfindig machen, welche sowohl die Anliegen der Fremdenverkehrsgemeinden und ihrer Bürger als auch der ÖBB zufriedenstellend berücksichtigt.

Zielsetzung des Mediationsverfahrens ist eine Einigung sowohl zu den gegenwärtigen Problemen mit dem Fluglärm als auch über die zukünftige Entwicklung des Flughafens. Das Mediationsverfahren ist erfolgreich, wenn am Ende eine Zustimmung aller Beteiligten zu einer gemeinsamen  Lösung erfolgt. Das Mediationsverfahren gilt als gescheitert, wenn es zu keiner einstimmigen Lösung kommt. Am Ende des Verfahren steht ein Vertrag zwischen allen Mediationsbeteiligten über den Inhalt der Einigung. (Anmerkung: Mediation ist aber kein rechtsverbindlicher Vorgang, sie findet im Vorfeld der rechtlichen Genehmigungsverfahren statt!). Die Mediation soll von jetzt an etwa eineinhalb bis zwei Jahre dauern. Es besteht eine vertragliche Vereinbarung, dass während dieser Zeit der Flughafen keine Handlungen setzt, die den Bau der zusätzlichen Piste präjudizieren.

Die Finanzierung des Mediationsverfahrens erfolgt durch:
Flughafen, Land Wien und Land NÖ.

Auf die Frage, ob die Mediation nur ein Beschwichtigungsverfahren sei:
Mediatoren leben von der Objektivität, sie lassen sich nicht missbrauchen.

Auf die Frage, was geschieht, wenn das Mediationsforum keinen Konsens erziehlt:
Das ist nicht auszuschließen. Aber es verändert die Art, wie man miteinander umgeht. Der Flughafen kann auch dann den Bau beantragen, mit Umewltverträglichkeitsprüfung usw.

Statement von Frau Mag. König, Mediatorin:
Sämtliche Anliegen werden aufgelistet. Sie können diese sowohl bei Herrn Chyba   als auch direkt bei den Moderatoren einbringen, jetzt direkt, per E-Mail, oder Brief . Adressen: chyba@ctd.at oder Siedlerverein Eßling, Marburggasse 50, 1220 Wien. 
Mag. Fürst: g.fuerst@aon.at   
Dr. König:   ursula.koenig@bsb-partner.ch

Auf Anfrage von GR Vanek nach Auftraggeber und Initiator der Mediation sowie deren Grund: Der Flughafen hat sich freiwillig zu einem Mediatiosverfahren entschlossen und es ausgeschrieben. Abgewickelt wurde die Ausschreibung von Rechtsanwalt Dr. Prader. Der Vertrag wird schließlich von allen 58 Teilnehmern des Beratungsforums unterschrieben.

Statements von M. Chyba, Siedlerverein:
Der Siedlerverein Eßling und Donaustadt nutzt seine Strukturen (Teilorganisatinonen, Internet etc.) für die möglichst effiziente Vertretung der Bewohner des 22. Bezirkes im Mediationsverfahren.
Internetadressen: 
Siedlerverein: http://www.siedlerverband.at/wien/sv-essling.htm
Mediation: http://www.viemediation.at/

Statement von Hrn. Brezansky, Umweltanwaltschaft Wien:
Die Umweltanwaltschaft ist eine weisungsfreie Behörde. Es hat zahlreiche Beschwerden, auch aus dem 22. Bezirk, gegeben an die Umweltanwaltschaft, an den Bürgerdienst etc. Seitens des Flughafens hat man sich eher unbefriedigend verhalten, hat sich aber verpflichtet, vor Abschluss des Mediationsverfahrens kein Projekt einer dritten Piste vorzulegen. Es ist also keine ausgemachte Sache, dass eine dritte Piste kommt. Zur Diskussion stehen verschiedene Pistenvarianten. Vielleicht kommt man dabei auch zu neuen Überlegungen, ob eine dritte Piste überhaupt notwendig ist. Auch ein Nachflugverbot steht zur Debatte. Derzeit finden täglich durchschnittlich 500 Überflüge pro Tag über Wien satt, in den nächsten 10 Jahren ist mit einer Steigerung auf 750 zu rechnen. Zunächst ist überhaupt eine Lösung für die jetzige Belastung zu suchen!

Statement von Stadtrat Prinz:
Von meiner Seite wird es keinesfalls eine Zustimmung geben zu einer Lösung, die eine Verschlechterung der Lebensqualität in der Donaustadt bringt.

Vehemente Statements von Bezirksrat Dr. Lang:
Man macht doch das Mediationsverfahren nur, weil man eine dritte Piste plant, die Mediation ist nur ein Beschwichtigungsverfahren, um die Bevölkerung ruhig zu halten. Wien ist mit 20 % am Flughafen beteiligt. Es handelt sich um ein Prestigeprojekt. Das Versprechen, nur 17 % der Flüge würden über die zweite Piste und damit über Eßling abgewickelt wurde nicht eingehalten, mit einer dritten Piste können die Flüge und die Belastungen nur weiter ins Unerträgliche gesteigert werden.

Statement von Bezirksrat Monika Bevilaqua:
Der Gewinn der Flughafen AG wird privatisiert, die Belastungen bleiben der Öffentlichkeit, müssen von uns allen getragen werden.

Statements, Diskussionsbeiträge von TeilhehmerInnen: Die Erklärungen der Mediatoren sind unbefriedigend. Wie wird die Meinung der einzelnen Menschen erhoben? Es ist gut, dass sich internationale Experten einschalten. Der Flughafen entspricht nämlich gegenwärtig keinesfalls internationalen Standards, z. B.: Der Anflug erfolgt über die Donau, die beiden Pisten kreuzen sich.

Es geht nicht nur um den Lärm sondern auch um die Belastung der Luft durch Stickoxide etc. Jedes Auto muss heute einen Katalysator haben. die Flugzeuge blasen jede Menge ungefiltert hinaus.

Als "Pistenbewohner" (im Bereich Schafflerhof) ärgere ich mich besonders über die tiefen Flüge in der Nacht. Die zweite Piste ist noch immer nicht im Grundbuch eingetragen. Wir bringen sicher nochmals 40 000 Unterschriften auf gegen einen Flughafenausbau.

Wenn kein Präjudiz für einen Bau geschaffen werden soll, warum muss dann der Katharinenhof weg? Er ist nämlich jeder der zur Debatte stehenden Pistenvarianten im Weg. Was geschieht nach dem Mediationsverfahren? Antwort von Mediator: ein Behördenverfahren. Wurden vom Flughafen bereits Grundstücke angekauft? Mediator: Das weiss ich nicht.

Werden uns die Kosten für Lärmschutzfenster bezahlt? Mediator: Weiss ich nicht. Anderer Teilnehmer: Wir wollen uns aber auch im Garten unterhalten können.

Eigentumsverhältnisse des Flughafens:
50 % Privataktien
20 % Land NÖ
20 % Land Wien
10 % Flughafen

Auch Austo Control ist eine Privatfirma und fungiert als Gutachter in Bauverfahren. Die Herrschaften vom Flughafen machen einfach, was sie wollen, es gibt keine Instanz, die den Flughafen wirklich kontrolliert.

Ich kann doch einer Lösung nur dann zustimmen, wenn meine Situation verbessert und nicht verschlechtert wird.

Leider ist der Flugverkehr noch immer ein Symbol für Fortschritt und Wohlstand wie vor 100 Jahren die rauchenden Schornsteine. Kerosin, ist im Unterschied zu Dieseltreibstoff, Benzin etc. nicht besteuert, es gehört besteuert, damit auch Alternativen zum Flugverkehr eine Chance haben. Das muss mit politischen Mitteln angestrebt werden, zumindest auf europäischer Ebene. Gerade zur Zeit nehmen die Flüge enorm zu, z. B. Wien - Budapest, während mit Beginn des Sommerfahrplanes die Züge dorthin auf die Hälfte reduziert werden.

Das Mediationsverfahren mag ja korrekt abgewickelt werden. Die kritische Fase beginnt erst danach. Der Flughafen kann unabhängig von dessen Ausgang den Bau einer dritten Piste beantragen. Daher müssen wir entschlossen sein: Wer eine dritte Flughafenpiste baut, muss mit einem zweiten Hainburg rechnen.

DI Walter: Für den Bau einer dritten Piste ist ein Umwelt-Verfahren notwendig, in dem wir alle Parteistellung haben. Der Bund ist nicht mehr Aktionär, daher muss sich der Flughafen den üblichen Verfahren unterziehen wie jede Privatfirma. Unsere Rechtsstellung ist somit besser als früher. Die Kundmachung für ein solches Verfahren erfolgt in der Zeitung, dann kann man gemeinsam (oder einzeln) Einspruch erheben. Das ist dann zu organisieren.

Schlusswort M. Chyba, Siedlerverein:
Chyba nimmt seine Vertretungsaufgabe im Mediationsforum mit höchstem Verantwortungsbewußtsein wahr. Unabhängig von seiner Zustimmung zum Ergebnis des Mediationsprzesses oder dessen Ablehnung bleiben die Rechte jedes Einzelnen   unangetastet. Die Bezirksorganisation der Siedlervereine mit ihren örtlichen Vereinen wird ihre Organisationsstruktur voll zur Verfügung stellen, sowohl im Mediationsverfahren als auch für etwaige weitere Aktionen.

Chyba dankt den Mediatoren und allen Teilnehmern für die rege Teilnahme am Gespräch  und schließt die Veranstaltung.

Für d. Richtigkeit des Protokolls

Mag. Georg Hartl, 24.2.2001

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